Im 6. Teil unserer Compliance-Serie widmen wir uns der Delegation der Compliance-Verantwortung und ihren Folgen.
Die Compliance-Verantwortung liegt zwingend bei der Geschäftsleitung und ist von dieser als Gesamtorgan wahrzunehmen. Dabei kann die Compliance-Verantwortung nicht vollständig und umfassend auf einzelne Mitglieder der Geschäftsleitung oder nachgeordnete Ebenen übertragen werden. Insofern ist sicherzustellen, dass die Geschäftsleitung ihrer Compliance-Verantwortung jederzeit durch ein Letztentscheidungs- und Kontrollrecht nachkommen kann.
Bestimmte Aufgaben können nicht delegiert werden, da sie in die Gesamtverantwortung der Geschäftsführung fallen und zwingend von dieser wahrgenommen werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Einreichung von Gesellschafterlisten (§ 40 GmbHG), die Sorge für die ordnungsgemäße Buchführung (§ 41 GmbHG), die Einberufung von Gesellschafterversammlungen (§ 49 GmbHG), Handelsregisteranmeldungen (§ 78 GmbHG) oder die Stellung des Insolvenzantrags (§ 15a InsO). Die Übertragung vorbereitender oder unterstützender Aufgaben bleibt in diesen Angelegenheiten jedoch stets zulässig.
Zulässig und insbesondere in größeren Unternehmensstrukturen auch zweckmäßig ist jedoch die Delegation von (einzelnen) Compliance-Pflichten. Zu unterscheiden ist insoweit zwischen der horizontalen Delegation (teilweise auch als Ressortverteilung bezeichnet), bei der die Compliance-Pflichten auf ein Mitglied des Geschäftsführungsorgans übertragen werden, und der vertikalen Delegation, bei der die Compliance-Pflichten auf nachgeordnete Ebenen (z.B. eine Compliance-Abteilung oder einen Chief Compliance Officer) delegiert werden. Im Rahmen der horizontalen Delegation von Compliance-Pflichten an ein Mitglied des Geschäftsführungsorgans ist eine klare Abgrenzung und Zuordnung der Geschäftsführungsressorts erforderlich. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Aufgaben von einer fachlich und persönlich ausreichend qualifizierten Person wahrgenommen werden und die Kompetenzen des Gesamtorgans nicht unzulässig eingeschränkt werden. Eine ordnungsgemäße und wirksame Delegation auf nachgeordnete Ebenen (vertikale Delegation) setzt ebenfalls voraus, dass der Compliance-Verantwortliche fachlich und persönlich ausreichend qualifiziert ist, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können. Darüber hinaus ist Vorsorge zu treffen, dass der Compliance-Beauftragte über die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse sowie über ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen verfügt. Ferner sollte ein direktes Berichtswesen an die Geschäftsleitung eingerichtet werden. Für die Wirksamkeit der Delegation von Compliance-Pflichten ist zwar keine zwingende gesetzliche Form einzuhalten. Eine schriftliche Fixierung der Zuweisung von Compliance-Verantwortlichkeiten ist jedoch aus Dokumentationsgründen dringend zu empfehlen.
Die (wirksame) Delegation von Compliance-Pflichten entbindet die Geschäftsleitung nicht vollständig von ihrer Compliance-Verantwortung. Die Geschäftsleitung muss die Delegierten und ein gegebenenfalls implementiertes Compliance-Management-System laufend überwachen und bei Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten oder einen Compliance-Verstoß unverzüglich einschreiten.