In Fortsetzung seiner „Schienenkartell“-Rechtsprechung hat der BGH eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestätigt, nach der ein pauschalierter Schadensersatz in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Abrechnungssumme zu zahlen ist, wenn der Auftragnehmer aus „Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt“. Eine solche Klausel führe nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners, sofern eine Pauschalierung in der Weise erfolgt, dass sowohl eine Unter- als auch Überkompensation gleichermaßen wahrscheinlich erscheint und dem Vertragspartner weiterhin die Möglichkeit bleibt, einen geringeren oder fehlenden Schaden nachzuweisen. Der Senat hat den Anwendungsbereich einer derartigen Klausel in eigener Auslegung auf generelle Absprachen zwischen Wettbewerbern erweitert, die - unabhängig von der konkreten Auftragsvergabe - aus Anlass zukünftiger Auftragsvergaben getroffen werden und darauf gerichtet sind, für diese Auftragsvergaben die freie Preisbildung am Markt ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen.
In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrieb die Klägerin den öffentlichen Nahverkehr in Berlin und erwarb von der Beklagten, die Oberbaumaterialien für den Schienennahverkehr produziert, in sieben Fällen in den Jahren 2002 und 2003 Weichen und Weichenteile im Wert von ca. EUR 500.000,00. Den in Rede stehenden Verträgen lagen „Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB)“ der Klägerin zugrunde, die in Nr. 14 folgende Klausel enthielt:
„Wenn der Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe nachweislich eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung oder eine unlautere Verhaltensweise darstellt, hat 5 v. H. der Abrechnungssumme als pauschalierten Schadensersatz an den Auftraggeber zu zahlen, es sei denn, dass ein Schaden in anderer Höhe nachgewiesen wird.“
Die Klägerin machte geltend, sie habe aufgrund des Kartells überhöhte Preise zahlen müssen. Auf Grundlage von Nr. 14 ZVB nahm sie die Beklagte auf Kartellschadensersatz in Anspruch, da die Beklagte nach den rechtskräftigen Feststellungen des Bundeskartellamts gemeinschaftlich mit anderen Unternehmen jedenfalls zwischen den Jahren 2001 und Mai 2011 gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen verstoßen hatte.
Problematisch war vorliegend die Bezifferung eines konkreten Schadens. Im Falle eines durch einen Kartellverstoß verursachten Preisunterschiedes müsste der Schaden aus einem Vergleich des vertraglich vereinbarten Preises mit dem hypothetischen Preis, der sich ohne Kartellabsprache ergeben hätte, ermittelt werden. Da die Ermittlung eines derartigen Schadens mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei, so der Bundesgerichtshof, komme dem Gedanken der Schadenspauschalisierung im Kartellrecht besondere Bedeutung zu.
Das Kammergericht Berlin als Berufungsinstanz hielt eine Pauschalierung von fünf Prozent der Abrechnungssumme für vertretbar und bezog sich in ihrer Entscheidung auf die sog. Oxera-Studie, die Kartellschadensschätzungen zum Gegenstand hat. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Annahme des Kammergerichts und wies im Übrigen unter Bezugnahme auf weitere Meta-Studien in einem obiter dictum darauf hin, dass eine Schadenspauschale zwischen fünf und 15 Prozent einen vertretbaren und angemessenen Wert für eine Abschätzung der Abweichung von Angebotspreis und hypothetischen Normalpreis hat.
Fazit: Das Urteil ist von grundlegender Bedeutung für die Wirksamkeit von in AGBs vereinbarten pauschalierten Kartellschadensersatzklauseln und die Beweislastverteilung für niedrigere oder höhere Schäden. Wir empfehlen, dass Sie eine entsprechende Klausel in Ihre Einkaufsbedingungen aufnehmen.